Am 16. Juli 2016 wurde das Weihnachtskonzert vom 22. Dezember 1920 als IEEE Meilenstein der Technikgeschichte geehrt.

Alles begann im Jahr 2011 mit der Idee aus dem Förderverein, sich mit dem Weihnachtskonzert vom 22. Dezember 1920 um die Anerkennung als IEEE Meilenstein der Technikgeschichte zu bewerben. Fünf Jahre später war es dann soweit – am 16. Juli 2016 trafen sich auf Einladung des Förderverein „Sender Königs Wusterhausen“ e.V. und des Bürgermeisters der Stadt Königs Wusterhausen, Dr. Lutz Franzke, etwa 100 geladene Gäste im Maschinensaal des Senderhauses 1, um an der offiziellen Enthüllung des Meilensteines teilzunehmen.

 

Die Festveranstaltung eröffnete Rainer Suckow, Vorsitzender des Fördervereins „Sender Königs Wusterhausen“ e.V., indem er besondere Gäste mit kleinen Geschichten begrüßte.

Anschließend überbrachte Kulturstaatssekretär Martin Gorholt die Grüße der Landesregierung und des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dr. Dietmar Woidke.

In seiner Rede bedankte sich Martin Gorholt für den Ehrenamtlichen Einsatz, der auf dem Funkerberg erbracht wird und der die Ehrung als Meilenstein erst möglich gemacht hat. Er würdigte die Unterstützung durch die Stadt Königs Wusterhausen und verwies auf die internationale Anerkennung, die der Funkerberg als Wiege des Rundfunks in Deutschland erhält. Und er schlug den Bogen von den Leistungen aus der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft.
Zitat:

„Experimentieren, neue Wege ausprobieren und mitunter auch unbequeme Schritte wagen, das sind die Vorraussetzungen die eine Gesellschaft braucht, um sich weiterzuentwickeln. … Der Funkerberg ist dafür ein beeindruckendes Beispiel. Der Blick zurück (in die Technikgeschichte, Anm. der Red.) kann durchaus auch den Forscherwillen und aktuellen Fähigkeiten mobilisieren im mutigen Ideenwettbewerb, in exzellenter Wissenschaft um neue, nachhaltige Produkte und Verfahren. Auch unter diesem Gesichtspunkt freue ich mich, dass wir heute auf dem Funkerberg einen Meilenstein der Technikgeschichte setzen können.“

Prof. Dr. Wolfgang Mathis vom Institut für Theoretische Elektrotechnik Hannover hielt einen kurzweiligen Fachvortrag über die Arbeit von Heinrich Hertz und seine Entdeckung der elektromagnetischen Wellen. Er sprach über die Rahmenbedingungen, unter denen die Versuche von Heinrich Hertz stattfanden und verwies auf einen entscheidenden Grundsatz der Arbeit von Heinrich Hertz:

„Vielfach wird deren Geschichte (der Entdeckung der elektromagnetischen Wellen, Anm. d. Red.) so dargestellt, als wäre es mit Maxwells Vorhersage von elektromagnetischen Wellen zu einem Paradigmenwechsel im Sinne von Thomas S. Kuhn gekommen und die Physiker hätten danach versucht, diese Wellen experimentell nachzuweisen. Wir werden an die Suche nach den Gravitationswellen erinnert, deren Ausgangspunkt Einsteins Arbeiten vor genau 100 Jahren waren. Das ist keineswegs so. Tatsächlich wurde Maxwells Theorie bis zu den Hertzschen Versuchen nur von wenigen beachtet und selbst danach wurde sie nur zögerlich angenommen. …. Die Vorläufer von Hertz waren vor allem deshalb nicht erfolgreich, weil sie mit der Theorie Maxwells nicht vertraut waren, was die allgemeine Erkenntnis stützt, dass ein Experiment ohne vorherige Theorie problematisch ist. Hertz erkannte jedoch die Ergebnisse seiner Vorläufer immer an und hat sie gewürdigt. .. Obwohl es letztlich eines Zufalls bei Arbeiten in seinem Labor bedurfte, um den Weg zur Entdeckung der elektromagnetischen Wellen zu finden, blieben diese Fragestellungen seit seinen Arbeiten an der Helmholtzschen Preisaufgabe in seiner Gedankenwelt verhaftet. So blieb er solange aufmerksam, bis sich ein erstes Indiz für die Wellen zeigte.“

Über die Geschichte des Weihnachtskonzertes vom 22. Dezember 1920 und seine politische und gesellschaftliche Einordnung sprach Katharina Gerlach. Sie ist die Enkelin des langjährigen Stationsleiters von Königs Wusterhausen, Johannes Gerlach. In einer stimmungsvollen Rede beschrieb sie die besonderen Bedingungen, unter den die erste Radiosendung Deutschlands entstand.

Zitat:
„Wie bei einer „echten“ Geburt ist es mit der einen Stunde – der Geburtsstunde – natürlich nicht getan. Viel Arbeit und Mühe ist es vorher, viel Arbeit und Mühe ist es danach. „

„Und so kam es zum legendären Weihnachtskonzert 1920. Das muss für alle Beteiligten in Königs Wusterhausen ein wahrhaft spannender Tag gewesen sein, denn das Ziel war, Sendetechnik und Empfangsmöglichkeiten in einem „Feldversuch“ zu testen. Die Techniker hatten ja schon Erfahrung mit der Sendetechnik bei der Übertragung des Wirtschaftsfunks. … Aber nun ging es darum, Klangqualität und Reichweite von Sprache und Musik herauszufinden. Das war deswegen so spannend, weil es, zumindest in Europa, noch nichts Vergleichbares gab. Und so kam es in Königs Wusterhausen zu einem vorher nie dagewesenen Ereignis: der Live-Übertragung von Musik, das auch angekündigt wurde – also Musik und Wort.“

Und auch einige persönliche Worte zu Johannes Gerlach und seinem Wirken auf dem Funkerberg fehlten nicht.
Zitat:

„ Er und Dr. Bredow spielten regelmäßig zusammen Karten. (möglicherweise war das Karten spielen ja ähnlich wie das Golfspielen von heute – ein Türöffner?) wie auch immer, die beiden verstanden sich auch politisch ganz gut. Als Johannes Gerlach eine Strafversetzung drohte, so erzählt man in meiner Familie, schickte der Ministerialdirektor ihn nach Königs Wusterhausen – was alles andere als eine Degradierung war. Die Familie wohnte in der Villa auf dem Funkerberg, und mein Großvater unterstützte die Beamten und spielte bei den Konzerten mit, die bis 1926 Tradition wurden. Dafür wurde regelmäßig das Klavier ausgeliehen, das Cello, die Decken wanderten in der Anfangszeit immer vom Haus zum Senderaum, und meine Großmutter, eine Belgierin aus Brügge, sagte: so ein Konzert muss doch bewusst beendet werden – mit der Nationalhymne! DAS wurde dann ja auch eine schöne Tradition. „

Zur musikalischen Unterhaltung spielte „HotTwoTrio“ aus Königs Wusterhausen feinsten Swing.

Frank Schulz, Technikvorstand der Media Broadcast, zeigte sich beeindruckt von den technischen Anlagen, die im Sender- und Funktechnikmuseum zu sehen sind.

Er verwies auf die besondere Bedeutung des Funkerberges als Ursprung der Firmengeschichte der Media Broadcast und die Verbundenheit bis heute.

Zitat:
„Heute stehen wir an der Wiege des Rundfunks in Deutschland. Wer hätte damals erahnen können, wie sich der Rundfunk entwickelt, wie er Wirtschaft und Gesellschaft prägen wird, und das in einem derartigen Tempo. In nur wenigen Generationen wurde die Technik weiterentwickelt, es kamen Radio und TV, Farbfernsehen, die Übertragungswege wurden weiterentwickelt. Heute stehen wir hier und ehren die Terrestrik und wissen, es gibt neue Technologien – Satellit, Kabel und Internet, und all diese Technologien gehen auch auf diesen Standort zurück. Nicht jede Technologie kann von sich behaupten, ein solch hohes Innovationspotenzial vorzuweisen.“

Zitat:
„MEDIA BROADCAST blickt mit diesem Jubiläum, das wir heute feiern, ebenfalls auf rund 100 Jahre Rundfunkerfahrung zurück. Damit bildet unser Unternehmen die Brücke zwischen Historie und Moderne. Noch immer betreiben wir am Sendestandort Nauen, der nur wenige Kilometer von hier entfernt liegt und bereits 1906 errichtet wurde, Kurzwellensender für die weltweite Radioverbreitung. Zugleich treiben wir die Zukunft der terrestrischen Signalübertragung voran. Nehmen Sie als Beispiel Digitalradio. Media Broadcast hat 2011 die nationale Verbreitung im DAB+ Standard gestartet. Sie können Radio heute digital empfangen. Dieses Digitale Radio bietet besserem Empfang, bessere Qualität, neue Dienste, mehr Programme, und all dies auf einer Frequenz. Deutschlandweit!“

Für das EMC Chapter Germany der IEEE sprach Prof. Dr. Heyno Garbe.
Er stellte das IEEE Meilensteinprogramm vor und begann mit einem interessanten historischen Vergleich:

Zitat:
„Die Straßenbauer des Römischen Reiches stellten Steinobeliske entlang der Straßen auf, um Orientierungspunkte zu haben. Hauptziel war es, den Reisenden Orientierung und Führung zu geben. Der Meilenstein zeigte ihnen den richtigen Weg und die zurückgelegte oder verbleibende Strecke. Auch nach dem römischen Reich wurde diese Praxis Jahrhunderte lang gepflegt. … Seit der Einführung der satellitengestützten Navigation wurden diese Meilensteine überflüssig – die Meilensteine verschwanden jedoch nicht vollständig. Wir finden sie auch heute noch an Straßenrändern und wichtigen Orten. Sie erinnern an historische Verbindungen vergangener Zeiten oder wichtige Orte – wie beispielsweise Königs Wusterhausen.“

Die Bedeutung der IEEE Meilensteine beschrieb Prof. Dr. Heyno Garbe so:

Zitat
“IEEE Meilensteine würdigen technische Neuerungen und Leistungen zum Nutzen der Menschheit, die man in einmaligen Produkten, Dienstleitungen, Veröffentlichungen oder Patenten findet. Im übertragenen Sinne markieren die IEEE Meilensteine den Weg, den die Menschheit in der technischen Entwicklung zurückgelegt hat. Darüber hinaus erinnern sie uns an Schlüsseltechnologien, die zu unserem heute gewohnten Standard geführt haben.“

 

 

Die Enthüllung des IEEE Meilensteines Funkerberg leitete der President und CEO der IEEE, Dr. Barry L. Shoop aus (Ort, Bundesland) ein.

In seinen Grußworten bedankte er sich ausdrücklich für die Zeit, die Energie, und die Sachkenntnis, die von den Mitgliedern des Fördervereins und allen Unterstützern bei der Vorbereitung des IEEE Meilensteines Funkerberg erbracht wurde. Er würdigte den Funkerberg als Meilenstein der Technikgeschichte und als Meilenstein der modernen Kommunikation. Er beschrieb die beeindruckende Reihe der Meilensteine der Technikgeschichte in der ganzen Welt, in die sich der Meilenstein auf dem Funkerberg an dem heutigen Tag einreiht.

Zitat:
„Die Arbeit hier in Königs-Wusterhausen war in der Tat ein Fortschritt der Technologie in Deutschland, und zwar technologischer Fortschritt von einer Bedeutung, die an sich die heutige IEEE Meilenstein-Eröffnung bereits angemessen erscheinen ließe. Was jedoch die IEEE Meilensteine macht, ist, dass die Technologien, die wir würdigen, den einzelnen Menschen, der Gesellschaft und der Menschheit als Ganzem zum Vorteil gereichen müssen. … Der Meilenstein, dessen wir heute gedenken, hat der deutschen Regierung gezeigt, was in diesem neuen Medium möglich ist. Kurze Zeit später fasste der öffentliche Rundfunk Wurzeln in Deutschland. Am wichtigsten jedoch ist, dass diese neuen Rundfunksendungen das öffentliche Interesse an Radio als Medium entfachten, das erlaubte, Nachrichten zu empfangen, Musik zu genießen, unterhalten und gebildet zu werden.“

Anschließend verlas Dr. Barry L. Shoop den Text des Meilensteines:

v.r. Prof. Dr. Heyno Garbe, Dr. Barry L. Shoop, Rainer Suckow 

Zum Abschluss der Festveranstaltung Meilenstein Funkerberg gab es noch ein ganz besonderes Dankeschön. Zu Ehren des Meilensteines Funkerberg hat der Förderverein „Sender Königs Wusterhausen“ e.V. eine Medaille anfertigen lassen. Eine Seite der Medaille zeigt das Senderhaus 1 und ehrt die Wiege des Rundfunks, die andere Seite würdigt den IEEE Meilenstein der Technikgeschichte.

20 dieser Medaillen wurden in Kupfer geprägt und im Rahmen der Festveranstaltung für besondere Verdienste für den Funkerberg verliehen. Um alle Interessenten des Funkerberges die Möglichkeit der Teilhabe zu geben, kann eine Zinn Variante der Meilensteinmedaille an der Museumskasse erworben werden.

Bilder 1, 2, 3,4 5, 6, 7, 9  CCBY Marco Frenzel | Rundfunkstadt
Bild 8 Archiv Förderverein „Sender KW“ e.V.