Der Dicke – ein Mittelturm für den Funkerberg
Der Mittelturm von Königs Wusterhausen
Das höchste freistehende Bauwerk Deutschlands (1925)
Am 22. Dezember 1920 wurde aus dem Senderhaus 1 auf dem Funkerberg in Königs Wusterhausen die erste deutsche Radiosendung ausgestrahlt. In den kommenden Jahren erlebte der Rundfunk eine rasante Entwicklung und neue Sendeanlagen wurden dringend benötigt. So wurde auf dem Funkerberg das Senderhaus 2 und eine gigantische Antennenanlage errichtet. Im Zentrum stand ein freistehender Antennenträger – der Mittelturm von Königs Wusterhausen.
Mit dem Bau des Senderhauses 2 im Jahr 1923 wurden auch entsprechende Antennenanlagen notwendig. So entstanden in den Jahren 1923 bis 1925 insgesamt sechs, jeweils 210 Meter hohe Stahlgittermaste als Antennenträger. In deren Mitte war ebenfalls ein Sendemast errichtet worden, der als Mittelpunkt der riesigen Flächenantennen dienen sollte. Schon während des Baus wurde klar, das dieser Mast den Belastungen nicht standhalten würde und so begann 1925 der Bau des Mittelturmes.
Die einmalige Konstruktion
Der von den Honnef-Werken in Dinglingen (Lahr) errichtete, etwa 700 Tonnen schwere, freistehende Turm aus Flussstahl erhielt einen dreieckigen Querschnitt. Von den in einem Abstand von 50 Meter stehenden Fußpunkten führten 3 seitliche Stützen zu einem Portal in etwa 30 Meter Höhe. Von hier aus verjüngte sich der Turm bis in die Höhe von 230 Meter. Alle 20 Meter wurden die Eckstiele durch waagerechte Zwischenstreben verbunden, die gleichzeitig auch als Wartungsbühnen dienten. Den oberen Abschluss bildet eine geschlossene Plattform mit einem Durchmesser von 10 Meter und einigen Metern Höhe, auf deren Dach der höchste Punkt des Mittelturmes mit den Beleuchtungsanlagen untergebracht war.
Das Zentrum des Mittelturmes bildete eine Röhre von 90cm Durchmesser, die einen Lastenaufzug und eine senkrechte Steigleiter enthielt. Um diese Röhre führte eine Wendeltreppe mit über 1300 Stufen bis an die Turmspitze. Von hier aus waren auch die Wartungsebenen erreichbar.
Für die Befestigung der Antennenanlagen war in 231 Meter Höhe ein Stahlring angebracht, von dem die einzelnen Antennen gehalten wurden. Um die Standfestigkeit zu garantieren wurde die Konstruktion so berechnet, dass die Windlast ein Vielfaches der Antennenlast betrug. Bei der Inbetriebnahme des Mittelturms im Jahr 1926 war dieser das höchste Bauwerk in Deutschland.
Geschichten um den Mittelturm
Ein Bauwerk aus Stahl wie der Mittelturm muss regelmäßig gewartet werden. Um über die Wendeltreppe bis in die oberste Plattform zugelangen, brauchten geübte Techniker etwa 45 Minuten. Die Mittagspause wurde dann dort oben verbracht – der Weg nach unten dauerte einfach viel zu lange.
In der Plattform auf 230 Meter Höhe sollte ursprünglich ein Kurzwellensender aufgebaut werden, der einen Antennenstab von 40 Meter Höhe auf der Turmspitze erhalten sollte. Dieser Aufbau wurde nie realisiert, weil der Versailler Vertrag eine derartige Nutzung verbot.
Der Aufzug in der Mittelröhre war ursprünglich auch für die Beförderung von Personen vorgesehen, wobei der Lastenkorb Platz für eine Person bot. Während der Bauarbeiten soll es allerdings einen Unfall gegeben haben, so das der Personenaufzug verboten wurde. Ob der Aufzug trotzdem von Technikern genutzt wurde, ist nicht überliefert.
Die obere Plattform war ein rundherum geschlossener Raum, der unter anderem die Aufzugsmaschine für den Lastenaufzug und die Winden für die Antennenseile enthielt. Es gab die Vermutung, das ein nicht geschlossenes Fenster bei dem Orkan 1972 Resonanzen in der Turmspitze erzeugte und die entstehenden Schwingungen den Mittelturm zum Einsturz brachten. Diese Theorie konnte durch Berechnungen nicht bestätigt werden.
Ein jähes Ende für den höchsten Antennenträger
Am 13. November 1972 tobte der Orkan „Quimburga“ über dem Funkerberg. Die mittlerweile 47 Jahre alte Konstruktion war der auftretenden Belastung jedoch nicht mehr gewachsen. Augenzeugen berichten, dass der Mittelturm um etwa 12:50 Uhr anfing zu schwingen, einige Meter zusammensackte und dann zeitlupenartig und sich drehend zur Seite fiel. Aufgrund des Orkans war ein Fallgeräusch nicht wahrzunehmen. Wie durch ein Wunder kam kein Mitarbeiter zu Schaden.
Durch den Sturz des Mittelturmes wurden alle befestigten Antennen sowie eine Stromversorgung am Senderhaus 3 unbrauchbar. Innerhalb weniger Stunden wurden die wichtigsten Sender wieder in Betrieb genommen.
Als Ursache für den Fall des Mittelturmes konnte ermittelt werden, das der Stahl einer Querstrebe in etwa 30 Meter Höhe nicht mehr ausreichend flexibel war und unter der Belastung brach. Damit konnten die Kräfte in diesem Eckstiel nicht mehr abgeleitet werden und der Turm verlor sein Gleichgewicht. Durch den nun fehlenden Mittelturm mussten die Antennen am Senderhaus 2 umgebaut werden. In der Folge wurden die das Haus umgebenden 210 Meter Masten abgebaut und teilweise verkürzt an anderer Stelle weiter genutzt. Nur Mast 17 blieb erhalten und ist heute der älteste Antennenträger in Deutschland.
Mittelturm heute
Im Museum auf dem Funkerberg steht ein Modell, welches etwa 100 ha Funkerberggelände maßstabsgetreu abbildet. Auf diesem Modell sind 21 Masten und Türme zu sehen – und der Mittelturm zeigt anschaulich seine zentrale Rolle als Antennenträger.
Und auch im Stadtwappen der Rundfunkstadt Königs Wusterhausen nimmt der Mittelturm einen wichtigen Platz ein.
Förderverein „Sender KW“ e.V.
Funkerberg 20 Senderhaus 1
15711 Königs Wusterhausen
Alle Fotos: Archiv Sender- und Funktechnikmuseum Königs Wusterhausen